Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Hansefreundinnen und Freunde, als im Jahre 1669 die gut 500 Jahre bestehende Hanse still und fast heimlich zu Grabe getragen wurde, ahnte wohl niemand, das rund 300 Jahre später jener Gedanke einer Städtepartnerschaft unter dem Namen Hanse der Neuzeit einen fulminanten Aufstieg, eine erstaunliche Wiedergeburt erlebte. Vor genau 14 Tagen war ich in der Hansestadt Salzwedel als Abgesandter unserer Stadt beim dortigen Hansefest eingeladen. Olaf Meining, dortselbst Stadtkämmerer und mit der Organisation beauftragt, formulierte es treffend so:
Man trifft sich nach einem Jahr wieder und knüpft genau dort an, wo man vor 365 Tagen aufgehört hat, miteinander zu sprechen.
Die Bürgermeisterin Sabine Blümel – erst seit 2016 im Amt, äußerte sich folgendermaßen: Ich zitiere:
In meinem Ersten Jahr als Bürgermeisterin war ich nur mit 5 % Begeisterung dabei und sagte damals, erst dann mit Gewandung an diesem Fest teilzunehmen, wenn ich über 50 % Akzeptanz dafür erreicht habe. Wie Sie unschwer erkennen können, stehe ich in Gewandung vor Ihnen und bin sehr froh, damit zur Hansefamilie zu gehören.
Die Begeisterung unseres Bürgermeisters war von Beginn an mit 100 % bei der Sache und so kann ich nur hoffen, dass er vielleicht schon gar in diesem Jahr zu unserem Hansefest standesgemäß in Gewandung auftreten wird, erst recht bei unserem internationalen Hansetag im Jahre 2022. Aber daran hege ich bei der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen Angelika Quiring Perl und Reiner Breuer keinen Zweifel. Am Mittwoch nächster Woche reist eine 17köpfige Delegation nach Rostock, um dort am internationalen Hansetag teilzunehmen und die Farben unserer Stadt zu vertreten. Dort werden – es wurde eben schon angedeutet – rund 130 Städte im Hansebund der Neuzeit vertreten sein. Mehr als 2.000 Delegierte werden erwartet. Wir, das sind die Städte Wesel, Kalkar, Emmerich und Neuss treten als Rheinische Hanse in einem gemeinsamen Zelt auf. Auch hierbei zeigt sich die Verbundenheit in besonderem Maße. Gemeinsam wird geplant, gemeinsam wird entwickelt, gemeinsam Transport, Gemeinsame Interessen , Unterkunft und das übliche abendliche Beisammensein gepflegt. Dabei haben die Delegierten bei den Konferenzen, Projektgruppen, Kommissionssitzungen, Versammlungen mindestens ein so ausgefülltes Programm zu absolvieren wie die Standdienste, die täglich 7 – 8 Stunden auch wiederum gemeinsam, uns präsentieren. Im Jahre 2005 kam dann auf Initiative von Angelika Quiring Perl der Arbeitskreis Wirtschaft hinzu und wirkt in ganz besonderer Weise für die Hanse. Ohne das Wort
gemeinsam wäre dies alles nicht zu bewältigen. Der Gedanke nach einem vereinten Europa wird seit 1980 mehr und mehr gelebt. Sprachschwierigkeiten werden mit Händen und Füßen überwunden, jeder Stand hat in der Regel Produkte seines Ortes oder Landes dabei und es wird grenzenlos probiert, genascht oder getauscht. Wobei ich mit etwas Grausen an den Stockfisch aus Bergen denke, bei dessen blossem Ansehen mir schon die Nackenhaare zu Berge standen. Vor Jahren wurde in Neuss der Slogan geprägt: Neuss hat was……..und ich möchte ergänzen: zu bieten! Und so präsentieren wir an unserem Stand sowohl
- Kultur mit dem Shakespeare-Festival, den internationalen Tanzwochen, Kulturraum Hombroich und Langen Foundation, Schützenfest und Glockenspiel. Zur Kultur zählte in den vergangenen Jahren die Musikgruppe Milchkännchen und wenn die an unserem Stand spielten, war kaum noch durchkommen, so voll wurde es dann.
- Zeitzeugen wie das Epanchoir, der Nordkanal, Reste der Stadtbefestigung, Hafenanlagen, Obertor und natürlich die Quirinus-Basilika.
- Industrie mit Weltfirmen, die den Namen der Stadt noch bekannter gemacht haben. Pierburg, Plange Mehlmühlen, Tempotaschentücher, I H C , MAOAM
Ich erinnere hier gerne an die Blütezeit der Hanse, in der Neuss nicht nur durch den Wasserweg Rheinstrom, sondern auch sonst ein Knotenpunkt von Handelswegen in sämtliche Himmelsrichtungen war. Durch das Zolltor Friedrichstr. ging es Richtung Aachen und weiterhin nach Maastricht. Durch das Hamtor führte der Weg nach Venlo und darüber hinaus. Wundert es Sie nicht, der Ort, der dem Hamtor seinen Namen gab, war nicht Düsseldorf Hamm, sondern der Landstrich, durch den die Händler die Stadt verließen, auf alten Karten Hammerter genannt. Das Niedertor öffnete den Weg nach Nimwegen und weiter nach Utrecht, und in Richtung Westen gingen einige Straßen nach Duisburg, Essen mit dem Hellweg, sie erinnern sich und weiter Bremen und Lübeck. Neuss war, und das geht aus den Rheinzollbüchern hervor, Hauptumschlagplatz für Wein . Die ältesten Eintragungen gehen auf 1360 zurück, was jedoch keinesfalls ausschließt, das dieser Handel schon bereits früher stattgefunden hat. Neuss fertigte aus Rohmaterial, das aus der Eifel kam, Mühlsteine, die sogar auf dem Plan von Braun und Hogenberg 1580 eingezeichnet sind und ebenso wie Getreide bis in die nördlichen Niederlande exportiert wurden. Da man selbst damals schon Leerfahrten zu vermeiden suchte, kamen auf diesen Wegen die unterschiedlichsten Waren: Butter und Käse aus den Niederlanden, Tuche aus England, Pelze aus Russland, Kupfer, Salpeter, Gewürze aus Venedig über die Alpen, Fisch aus den Niederlanden und Norwegen. Unfassbar: 160 Tage im Jahr war von der Kirche Fastenzeit angesagt. Um den Bedarf an den benötigten Fischmengen zu decken, gab es Zeiten, in denen bis zu 2000 Kaufleute in Bergen tätig waren, Wein aus Frankreich und Spanien. Renner im Mittelalter war Spanischer Granat, der zu Rosenkränzen verarbeitet wurde. Nicht zu vergessen, die Unmengen Salz, die gebraucht wurden. Auch die Außenwirkung solcher Hansetage ist keinesfalls zu unterschätzen sind die vielen tausend Menschen, die in die Stadt strömen und für Umsatz im Handel und in der Gastronomie sorgen. So wie damals ist den Hansetagen der Neuzeit weiterhin stetes Wachstum beschert. Und glauben Sie mir, wer einmal die Stadt Neuss als Quirinus dort vertreten durfte, tut dies, solange er noch stehen kann. (Rede zur Jahreshauptversammlung von Rolf D. Lüpertz)