Hanse-Gesellschaft Neuss

Hanse-Brief

In Zeiten der Corona-Pandemie lassen Sie mich einen Blick zurück in die Hansezeit werfen.
Die Lebensbedingungen in der Blütezeit der Hanse waren alles andere als lebensfreundlich. Es mangelte an vielen Dingen, die uns heute selbstverständlich erscheinen. Die Gesundheitsvorsorge – das Wort gab es damals noch gar nicht, war miserabel! Es gab kaum/keine Möglichkeiten, Nahrungsmittel zu konservieren, (es sei denn, in Salz einzulegen). Was auf den Tisch kam, wurde aufgegessen, denn man konnte ja nicht wissen, ob es am nächsten Tag noch essbar war. Trinkwasser gefährdete die Gesundheit, denn es war meist bräunlich, voller Bakterien, roch etwas strenger und war gesundheitsgefährdend.
Regelmäßiges Waschen, Zähneputzen, Toilettenhygiene, Sauberkeit der Hände, also Körperpflege allgemein, waren unbekannt. Selbst an den Adelshöfen herrschte Sauberkeitsnotstand, man puderte lieber, als Wasser zu nutzen und Handschuhe trug man nicht als Ausdruck der Vornehmheit, sondern weil die Fingernägel dunkle Schmutzränder aufwiesen. Toiletten, Toilettenpapier war noch nicht erfunden, also Horten oder Hamsterkäufe wie in heutiger Zeit, nicht denkbar. Man nutzte die Finger oder Bessergestellte an Stöcke gebundene Lappen
Unter Berücksichtigung aller voran stehenden Unzulänglichkeiten war es natürlich viel eher möglich, sich mit irgendwelchen Krankheiten anzustecken, die dann auch noch unbehandelt blieben. Auf der anderen Seite trugen die Entdecker Amerikas hier bekannte und eher als harmlos eingestufte Krankheiten in die Neue Welt, die dort tausende und abertausende Ureinwohner dahinrafften. Die Rückkehrer brachten dann allerdings die Syphilis – so nimmt man an – von den Westindischen Inseln mit nach Europa.
Zu einem noch größeren Sterben kam es in den Jahren 1528/29.
Die als sogenannter „Englischer Schweiß“ bezeichnete Krankheit breitete sich aus England kommend über halb Europa aus, an der in wenigen Wochen Tausende Menschen starben. Der Seuchenzug verstärkte sich wie die gerade aktuelle Pandemie vorrangig durch die vermehrte Reisetätigkeit auf den damaligen Hanserouten. So waren innerhalb kürzester Zeit nordwärts die Länder Dänemark, Schweden und Norwegen und, ostwärts entlang der südlichen Ostseeküste, auf den Wegen der Hanse Polen, Litauen und Russland infiziert.
Hamburg wurde im Juli 1529 in Mitleidenschaft gezogen, innerhalb von 22 Tagen starben 1.100 Bewohner. Die weitere Ausbreitung fand über Lübeck (1524), Wismar, Rostock (1522), Greifswald, Stettin, Danzig und im Umland statt. In Dortmund, damals auch zum Hansebund gehörig, starben in den ersten 4 Tagen von 500 Erkrankten 497. Augsburg verzeichnete in 6 Tagen von 1.500 Erkrankten gleich 800 Tote. Für Lübeck hat der Stadtmedicus Rembertus Giltzheim die Epidemie drastisch chronologisch beschrieben.
Mitte des 16. Jh. gab es in England noch einmal einen größeren Ausbruch, danach tauchte die Krankheit nie wieder auf.
Doch auch klimatische Veränderungen machte der Bevölkerung arg zu schaffen. In der nördlichen Hemisphäre schränkte die „Kleine Eiszeit“, wie man sie heute beschreibt, besonders die Ernteerträge dramatisch ein. Sie war in der Zeit von 1570 bis 1630 stark betroffen. In der südlichen Hemisphäre verschoben sich die durchschnittlichen Temperaturen in der zweiten Hälfte des 17. Jh. um mehrere Grad nach unten. Vermutet werden verstärkte Aktivitäten weltweiter Vulkane, die die Luft mit Staubpartikeln anreicherten und so ein Reflexion des Sonnenlichtes verursachten. Die Veränderungen des Klimas wirkten sich sogar auf die Kunst aus. Darstellungen von Winterlandschaften aus der Zeit des 16./ 17. Jh. machen noch heute deutlich, wie sehr die Menschen in Europa davon betroffen waren.

Ich wünsche allen Lesern ein gesegnetes Osterfest u n d bleiben Sie gesund.
Rolf D. Lüpertz
für die Hanse-Gesellschaft Neuss e.V.
April 2020