Sehr geehrte Hanseaten,
bevor wir den Herren Stenmans und Reyak vom Verein Creditreform das Wort zu ihrem Vortrag mit dem Titel
„Creditreform – ein Weltunternehmen – in Neuss“ überlassen, würde ich Ihnen eine kleine wahre Geschichte erzählen, die sich vor ca. 600 Jahren zur Zeit der Hanse zugetragen hat, um zum Schluss dieses Abends gemeinsam
die Frage zu stellen, wäre dies auch mit der Creditreform so passiert. Hildebrand Veckinchusen war zwischen 1370 und 1426 ein in Brügge lebender Kaufmann zur Zeit der Hanse. Neben der Tatsache, dass Hildebrand zu den angesehensten Kaufleuten seiner Zeit zählte, kommt Veckinchusen durch die Überlieferung von mehr als
500 Briefen und 10 Handelsbüchern eine herausragende Bedeutung für die Erforschung der Geschäftspraxis
und Lebenswelt von Kaufleuten des späten Mittelalters zu.
In seiner Jugend absolvierte Veckinchusen eine Ausbildung als Kaufmannsgehilfe. Erste eigene kaufmännische Aktivitäten sind für das Jahr 1390 überliefert, wo sich Hildebrand bescheinigen ließ, er habe Tuche und
12 Botten Wein ordnungsgemäß gekauft. Ende des 14. Jahrhunderts gehörte Veckinchusen zu den angesehensten
Hanse-Kaufleuten und besaß u. a. in Brügge 3 Häuser.
Von Flandern aus unterhielt er ein weit verzweigtes, überwiegend auf verwandtschaftliche Bindungen basierendes
Netz von Handelsbeziehungen, das den gesamten Hanse-Raum von Nowgoroth bis London umspannte und darüber hinaus nach Süden bis Venedig und im Westen bis zur französischen Atlantikküste reichte. Organisatorisch basierten die Geschäfte häufig auf Hanse-Gesellschaften, die für einen festgelegten Zeitraum mit einer kleinen Zahl von Partnern eingegangen wurden. Diese Form der Organisation bot den Vorteil, dass größeres Kapital eingesetzt und das Risiko für den Einzelnen verringert werden konnte. Der Kapitaleinsatz verteilte sich üblicherweise gleichmäßig auf die einzelnen Gesellschafter, und auch Gewinn und Verlust wurden später gleichmäßig geteilt.
Anders, als etwa noch Mitte des 13. Jahrhunderts, als Hanse-Kaufleute ihre Waren gewöhnlich selbst begleiteten und im Tauschhandel absetzten, leitete Veckinchusen seine Geschäfte von seinem Brügger Kontor aus und übergab die Waren gewöhnlich dem Transporteur, im Fall von Seehandelsgeschäften dem Kapitän des betreffenden Handelsschiffes oder er wurde von einem Handelsgesellen begleitet. Es war zur damaligen Zeit ein sehr riskantes Geschäft, da die Preise für die Produkte stark schwankten. So erzielte Veckinchusen in 2 Jahren einen Profit von 12 %, der allerdings nicht erzielt worden wäre, hätte nicht ein einzelnes, sehr erfolgreiches Geschäft mit Wachs, die Verluste der übrigen Geschäfte aufgefangen.
Vermutlich durch die ruinöse Geschäftspraxis des im Auftrag der Hanse-Gesellschaft nach Venedig entsandten
Kaufmanns, Peter Karbow, geriet die Gesellschaft in eine Krise. Karbow kaufte überteuerte Ware ein und ruinierte sich mit einem Überangebot an Fellen die Preise, so dass sich für die Gesellschaft eine Überschuldung einstellte. Da die großen Umsätze der Gesellschaft zudem nur durch auf die Mitgesellschafter gezogene Wechsel finanziert wurden, deren Fälligkeitsdatum häufig vor dem Verkaufsdatum der Waren lag, trat schnell eine Existenzkrise ein. Als Karbow nach seiner Gefangennahme wegen der Schulden alle in Venedig lagernden Güter der Gesellschaft preisgab, um damit seine Freiheit zu erkaufen, kam das Ende der Gesellschaft Veckinchusen. Zu den geschäftlichen Problemen beim Absatz seiner Produkte kam hinzu, dass er ein, dem Kaiser Siegesmund eingeräumtes Darlehen, leider nicht zurückerhielt. Insoweit hatte er die Bonität seines Schuldners falsch eingeschätzt.
Im Mai 1418 platzten zwei auf London gezogene Wechsel, wodurch sich die spätere Katastrophe bereits ankündigte. Die hohen Zinsen, die Veckinchusen für seine bis dahin aufgenommenen Kredite an die in Brügge ansässigen Geldverleiher zahlen musste, trieben ihn immer mehr in deren Abhängigkeit. Hinzu kam das Scheitern einer Spekulation mit französischem Salz. Als sich die Lage immer weiter zuspitzte, nutzte Hildebrand die Antwerpener Pfingstmesse im Frühjahr 1421 zur Flucht vor seinen Gläubigern. Als er 1422 nach Brügge zurückkehrte, um dort den Versuch zu wagen, seine Kredite zurückzuzahlen, wurde er auf Drängen seiner Gläubiger im Brügger Schuldturm inhaftiert.
Seine, mit den Kindern in Lübeck verbliebene Frau Margarethe, geriet immer stärker in Geldnot und wurde durch die Schwiegermutter seines Bruders aus dem Hause geklagt und verlor dieses. Der Bruder von Veckinchusen unterstützte seine Schwägerin und die Kinder nur so weit, damit sie nicht betteln gehen mussten, da dies seinem eigenen Ansehen in Lübeck geschadet hätte.
Im Herbst 1424 erreichten die letzten verbliebenen Freunde unter erheblichem finanziellen Aufwand und durch eine Bürgschaft des Schwiegersohnes die Freilassung von Veckinchusen. Nach seiner Entlassung aus dem Schuldturm 1426 übernahm Veckinchusen noch einen letzten Versuch, seine Gläubiger durch die erneute Aufnahme von Handelsgeschäften auszuzahlen und begab sich nach Lübeck, wo er wenige Wochen später starb. Nach der Kurzbiographie von Veckinchusen stellen sich für uns heute Abend die Fragen:
Auf die Beantwortung dieser Fragen und auf den Vortrag von Herrn Stenmans und Reyak dürfen wir uns nun freuen.
Hier finden Sie den Bericht zum Vortrag: Link